
Kürzlich organisierten die zwei P-Seminare „Erinnerungskultur“ des Gymnasiums Ergolding (Leitung: H. Fischer) und des Hans-Carossa-Gymnasiums (Leitung: Y. Löken und B. McMahon) zusammen mit dem zweiten Vorsitzenden des Stolpersteine-Vereins, Franz Gervasoni, den Zeitzeugenbesuch von Steven Anson, einem Holocaust-Überlebenden der zweiten Generation, an den zwei Schulen.
Im Hans-Carossa-Gymnasium begrüßte Schulleiter OStD Markus Heber sowohl die Gäste Steven und seine Frau Hilary Anson aus Schottland als auch die Zuhörer*innen, darunter Frau Dr. Doris Danzer vom Stadtmuseum und Herr Dr. Mario Tamme vom Stadtarchiv. Er verwies dabei u.a. auf die immerwährende Notwendigkeit, sich der Vergangenheit zu stellen, vor allem dann auch, wenn diese unbequem und unangenehm ist. Franz Gervasoni sprach danach ein kurzes Grußwort, das mit den mahnenden Worten des Zeitzeugen Max Mannheimer an die junge Generation schloss, dass sie nicht schuld an dem sind, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.
In einem eindrücklichen Vortrag stellte Steven Anson verschiedene Lebensstationen seines Vaters Martin Ansbacher in Deutschland als auch dessen Flucht nach Großbritannien vor. Fotografien und Fotos von Dokumenten als auch Original-Aufnahmen von Martin Ansbacher und seiner Familie gaben ein eindringliches Bild dieser Zeit wieder. So waren Martin Ansbacher und seine Eltern 1932 aufgrund der antisemitischen Ausschreitungen von Leutershausen nach Landshut gezogen. Dort betrieben sie gemeinsam mit ihren Verwandten das Geschäft „Textilhaus M. und W. Ansbacher“ in der Altstadt. Martin Ansbacher wurde aktives Mitglied im Achdorfer Fußballclub. Doch auch in Landshut wurde die Familie Opfer der nationalsozialistischen Diktatur: 1935/36 musste das Textilhaus geschlossen werden, da der Mietvertrag aufgekündigt wurde. Sie fanden einen Hausbesitzer, der ihnen trotz Drohungen der NSDAP einen neuen Mietvertrag für die leerstehenden Räume am Isargestade 728 gab. Eindrücklich schilderte Steven Anson die schrecklichen Ereignisse, die seinem Vater und seiner Familie in der Reichspogromnacht widerfuhren. Ihre Wohnung in der Seligenthaler Straße 38 als auch das Geschäft wurden verwüstet, Martin Ansbacher und andere Familienmitglieder brutal zusammengeschlagen und verhaftet. Nach der Entlassung der Männer aus dem damaligen KZ Dachau wurde das Geschäft zwangsverkauft und ein Teil der Familie schaffte es, nach Großbritannien zu emigrieren, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Viele weitere Familienmitglieder jedoch überlebten den Holocaust nicht. Im zweiten Teil des Vortrages zeigten Steven Anson und seine Frau Hilary Anson, wie auf vielfältige Weise den Opfern des Nationalsozialismus gedacht wurde und wird. So sah man als jüngstes Beispiel, dass in Augsburg 2021 eine Straße nach der Familie der Großmutter mütterlicherseits benannt wurde: „Familie-Einstein-Straße“.
Danach hatten die Schüler*innen noch Gelegenheit, dem Zeitzeugen Fragen zu stellen. Im Anschluss überreichte Martin Anson der Schule ein Freundschaftszertifikat (s. Bild).
Für Oktober 2023 ist eine Stolpersteinverlegung der beiden P-Seminare in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv geplant, so auch für Martin Ansbacher sowie seine Eltern Guido und Babett.
Yvonne Löken und Birgit McMahon